Agil bringt keine Benefits!


In Gesprächen mit Projektmitarbeitern höre ich ab und zu folgende Argumentation.

“Ich glaube nicht, dass agile Methoden uns helfen würden. Wir haben ein funktionierendes, phasenorientiertes Vorgehensmodell und erzeugen damit sehr gute Ergebnisse. Da am Ende jeder Phase die Zwischenergebnisse getestet und damit abgesichert werden, können wir sicher sein, dass ein reibungsloser Phasenübergang möglich ist. Änderungen am Projektinhalt oder -umfang sind bei uns nicht vorgesehen. Sie werden aber auch nicht benötigt, da der Kunde am Anfang des Projektes ganz genau definiert, was er haben will. Sollte es tatsächlich zu Änderungen während des Projektes kommen, dann führt das bei uns zu Aufwänden und Schleifen, welche der Kunde sehr teuer bezahlen muss. Wenn der Kunde dazu bereit ist, dann ändern wir auch gerne das Projekt. Wir fahren mit diesem Ansatz sehr gut. Agile Methoden bringen uns da keine Benefits.”

Unternehmen, die so argumentieren können, befinden sich in einer äußerst bequemen Position. Ich unterstelle, dass so eine Projektpolitik gut funktioniert, wenn sich ein Unternehmen in einem quasi konkurrenzlosen Markt bewegt. Wenn es keine Mitbewerber gibt, welche ähnliche Projekte zu besseren Konditionen für den Auftraggeber durchführen können, dann ist der Kunde alternativlos, was die Projektbeauftragung angeht. Im Regelfall trifft dies auf Unternehmen zu, welche ein bestimmtes Know-How-Monopol erreicht haben.

Das Unternehmen hat den großen Vorteil, mit einem fixierten Pflichtenheft eine klassische Projektplanung durchführen und damit ein einfach zu kalkulierendes Festpreisangebot abgeben zu können. Alle vom Kunden initiierten Änderungen führen zu unmittelbaren, weiteren Umsätzen für das Unternehmen.

Die Perspektive des Kunden sieht hingegen nicht so komfortabel aus. Er befindet sich in einer Dilemmasituation: auf der einen Seite gibt es für ihn keinen alternativen Anbieter, um ein Projektangebot einholen zu lassen. Auf der anderen Seite hat er vielleicht bereits die Erfahrung gemacht, wie teuer ihn Änderungen im Projekt zu stehen kommen, so dass er der Annahme unterliegt, in die anfängliche Anforderungsspezifikation möglichst viel Zeit und Aufwand zu investieren, um spätere Änderungen ausschließen zu können.

Die Erfahrungen und Untersuchungen von Projekten aus den letzten Jahrzehnten zeigen deutlich, dass ein fixierter Projektumfang bei Projektbeginn den Kunden bei Projektende im Regelfall nicht zufrieden stellt. Zwischenzeitlich haben sich der Kunde und sein Umfeld zu sehr gewandelt, als dass die damals angenommenen Lösungsideen heute noch die effektivsten und effizientesten Möglichkeiten darstellten. Mit anderen Worten: es kommt während eines Projektverlaufs immer zur Notwendigkeit, den Projektumfang oder -inhalt zu verändern.

Welchen Druck übt all dies nun auf ein Unternehmen aus, welches nach oben beschriebenem Muster argumentiert?

  1. Der Kunde kennt es nicht anders. Damit muss sich für das Unternehmen auch nichts ändern. Der Kunde findet sich mit der Situation ab und nimmt sie als Normalzustand hin.
  2. Der Kunde hat Erfahrungen mit agilen Vorgehensweisen gemacht und die Vorteile für sich erkannt. Dem Unternehmen bleiben nur zwei Möglichkeiten: (a) den Kundenauftrag verlieren und der alten Vorgehensweise treu bleiben, oder (b) sich neuen Methoden zu öffnen und Wege finden, mit dem “mündigen” Kunden während des Projekts zusammen zu arbeiten.
  3. Anbieter mit ähnlichen Vorgehensweisen tauchen am Markt auf. Die Kunden haben plötzlich die Wahl und werden bei Festpreisprojekten “kosteneffizient” entscheiden, letztlich also den preiswerteren Anbieter wählen. Das Unternehmen kommt damit in die Notwendigkeit, die Projektentwicklung effizienter durchführen zu müssen.
  4. Anbieter mit agilen Vorgehensweisen tauchen am Markt auf. Die Kunden bekommen die Möglichkeit, nur den Projektumfang zu bezahlen, den sie tatsächlich benötigen. Der Effizienzdruck im Unternehmen  steigt immer weiter, da sich ein Vorgehensmodell nicht mehr rechtfertigen lässt, welches für den Kunden teuer und wenig zufriedenstellend ist.

Mein Rat für Unternehmen in den nächsten Jahren lautet:

  • bleiben Sie konkurrenzlos – um Ihr altes Vorgehensmodell beizubehalten
  • steigern Sie Ihre Entwicklungseffizienz – um mit klassischen Mitbewerbern mitzuhalten
  • werden Sie zu einem agilen Unternehmen – um Ihre Kunden mit dem größten Kundennutzen zufrieden zu stellen und langfristig zu halten

 


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